Wien (OTS) – Nach Ansicht des Senats 2 verstößt der Beitrag „USA: Restaurant-Gast erschießt Räuber bei Überfall“, erschienen am 09.01.2023 auf „krone.at“, gegen die Punkte 5 (Persönlichkeitsschutz) und 6 (Intimsphäre) des Ehrenkodex für die österreichische Presse.
Im oben genannten Beitrag wird über einen Vorfall in den USA berichtet, bei dem ein maskierter Räuber in ein mexikanisches Fast-Food-Restaurant in Texas gestürmt sei. Doch der Täter hätte offenkundig nicht mit Gegenwehr gerechnet, während des Überfalls habe ein Restaurantbesucher seine Pistole gezogen und auf dem Räuber viermal in den Rücken geschossen; als der Mann reglos auf dem Boden gelegen sei, nochmals in den Kopf. Danach habe der Schütze das Restaurant seelenruhig verlassen. In den Beitrag war ein Video von Twitter eingebettet, das die Erschießung des Räubers zeigt.
Ein Leser ersuchte den Presserat um eine medienethische Prüfung des Beitrags. Die Medieninhaberin von „krone.at“ hat von der Möglichkeit, am Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht.
Zunächst hält der Senat fest, dass Berichte über Straftaten wie Raubüberfälle sowie die im Zuge der Tat erfolgte Tötung des Täters grundsätzlich für die Öffentlichkeit relevant sind. Dennoch ist die Würde eines Menschen, die den Kern des Persönlichkeitsschutzes betrifft, auch postmortal zu beachten:
Im vorliegenden Fall wurde ein Video veröffentlicht, in dem ein Räuber von einem Restaurantbesucher erschossen wird; darauf wird in der Überschrift des Beitrags auch explizit hingewiesen. Derartige Aufnahmen betreffen neben der Menschenwürde auch die Intimsphäre des Erschossenen, wie die Senate bereits in zahlreichen Entscheidungen festgehalten haben. Im Sinne dieser Entscheidungspraxis sieht der Senat in der Veröffentlichung des Videos eine grobe Missachtung des Persönlichkeitsschutzes (Punkte 5 und 6 des Ehrenkodex).
Dabei ist es unerheblich, dass die involvierten Personen aufgrund der schlechten Bildqualität nicht deutlich zu erkennen waren bzw. der Räuber im Video eine Strumpfhaube trägt. Für sein unmittelbares Umfeld ist der Verstorbene allein schon aufgrund des drastischen Vorfalls identifizierbar. Ebenso spielt es keine Rolle, ob das Video zuvor in anderen (sozialen) Medien veröffentlicht wurde: Die Redaktion von „krone.at“ muss eigenständig darüber entscheiden, ob Bildmaterial persönlichkeitsverletzend ist bzw. rechtfertigt die Verbreitung des Videos auf Twitter eine Übernahme durch professionelle journalistische Medien nicht automatisch.
Im Übrigen sollten Medien gerade bei Bildmaterial, in dem brutale Gewalt zu sehen ist, zurückhaltend sein und damit verantwortungsvoll umgehen. In diesem Zusammenhang weist der Senat auch noch darauf hin, dass Onlinebeiträge grundsätzlich auch Kindern und Jugendlichen zugänglich sind. Im Ergebnis kann der Senat an der Veröffentlichung des Videos kein legitimes Informationsinteresse erkennen, die Veröffentlichung des brutalen Videos diente wohl in erster Linie dazu, dass sich der Beitrag im Internet stärker verbreitet.
Der Senat merkt positiv an, dass der Beitrag vom Medium zumindest im Nachhinein entfernt wurde und daher inzwischen nicht mehr abrufbar ist. Der gravierende Eingriff in die Würde und Intimsphäre des Täters erlaubt es im vorliegenden Fall jedoch nicht, aufgrund der nachträglichen Löschung von der Feststellung eines Verstoßes gegen den Ehrenkodex abzusehen.
SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINES LESERS
Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.
Im vorliegenden Fall führte der Senat 2 des Presserats aufgrund von Mitteilungen mehrerer Leserinnen und Leser ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund von Mitteilungen). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin von „krone.at“ hat von der Möglichkeit, am Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht.
Die Medieninhaberin der „Kronen Zeitung“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht anerkannt.
Rückfragen & Kontakt:
Andreas Koller, Sprecher des Senats 2, Tel.: 01-53153-830
Quelle
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